Die große Richtung…

… lautete der Titel der Highlight-Session des R3-Imaging Kongress, der vom 19. bis 21. September in Konstanz am Bodensee stattfand. Die innovative Veranstaltung sorgte mit ihrem aktuellen und interessanten Vortragsprogramm sowie den erstklassigen Referenten schon im dritten Anlauf für mehr als 400 Besucher.

Prof. Mathias Prokop, Radboud University Medical Center Nimwegen, teilte in der Highlight-Session des R3-Imaging Kongress seine Einschätzung, wohin sich die KI-basierte Radiologie bewegen wird.

Die Radiologie steht vor großen Herausforderungen, darunter Burn-out, Zeitdruck und die Bewältigung einer stetig wachsenden Arbeitslast. Gleichzeitig findet die Technologie der künstlichen Intelligenz (KI) zunehmend Einzug in den medizinischen Bereich, insbesondere in der Radiologie. Diese Entwicklung birgt großes Potenzial, sowohl in Bezug auf die Effizienz als auch auf die diagnostische Genauigkeit. 

KI wird oft als Lösung für die Probleme der Radiologie betrachtet. Der Bereich der künstlichen Intelligenz umfasst dabei eine Vielzahl von Technologien, darunter Deep Learning, Generative Adversarial Networks (GANs) und Large Language Models (LLMs). Insbesondere Deep Learning hat seit 2015 erhebliche Fortschritte gemacht. Der Durchbruch wurde durch Arbeiten von Forschern wie Geoffrey Hinton ermöglicht, der vorausgesagt hatte, dass Radiologen in 5–10 Jahren obsolet sein könnten. Diese Prognose hat sich nicht erfüllt, jedoch hat sich das Feld der KI in der Radiologie erheblich weiterentwickelt.

Anwendungsbereiche von KI

Die Anwendung von KI in der Radiologie lässt sich grob in drei Bereiche unterteilen:

1. Workflow-Optimierung: KI kann Abläufe in der Radiologie vereinfachen, indem sie unter anderem Bilder vorsortiert, automatisiert Befunde erstellt oder Arbeitslisten priorisiert. Dadurch werden Arbeitsprozesse effizienter und Radiologen entlastet.

2. Bildakquisition und Rekonstruktion: KI hilft dabei, Bildqualität zu verbessern und Strahlendosen zu reduzieren. Durch Deep Learning kann etwa die Bildrekonstruktion optimiert werden, was zu besseren Ergebnissen bei der Diagnostik führt.

3. Analyse und Befunderstellung: Der wohl komplexeste und vielversprechendste Bereich ist die Analyse von Bilddaten durch KI. Hier können KI-Systeme Muster erkennen, Krankheiten diagnostizieren und sogar Texte generieren, um Radiologen bei der Erstellung von Befunden zu unterstützen.

 
Herausforderungen und Grenzen

Trotz des Potenzials der KI gibt es viele Herausforderungen bei der Integration in den radiologischen Alltag:

Datenqualität und Trainingsdaten: Ein entscheidender Faktor für die Leistung von KI-Modellen ist die Qualität der Trainingsdaten. Diese müssen repräsentativ und umfangreich sein, um zuverlässige Ergebnisse zu erzielen.

Integration in den Workflow: Die KI-Systeme müssen so entwickelt werden, dass sie nahtlos in den bestehenden radiologischen Arbeitsablauf integriert werden können, ohne zusätzlichen Aufwand oder Verzögerungen zu verursachen.

Vertrauen und Akzeptanz: Radiologen müssen lernen, mit KI-Systemen zusammenzuarbeiten und ihre Ergebnisse zu interpretieren. Es ist wichtig, dass die KI als Unterstützung wahrgenommen wird, nicht als Konkurrenz.

Effizienzsteigerung und Einsparung

Die Einführung von KI in der Radiologie ist nicht nur eine technische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Ein wesentliches Problem ist die Frage der Refinanzierung. Bisher gibt es wenige Modelle, die eine direkte Vergütung für den Einsatz von KI vorsehen. Stattdessen muss sich die Investition durch Effizienzsteigerungen und Einsparungen amortisieren. In einigen Fällen kann KI helfen, den Bedarf an Hardware-Investitionen zu reduzieren, indem sie die Online-Bildverarbeitung effizienter gestaltet.

Ein besonders erfolgreiches Anwendungsbeispiel für KI in der Radiologie ist das Brustkrebsscreening. KI-Systeme können hier als „zweiter Leser“ agieren, was zu einer höheren Erkennungsrate von Karzinomen führt. In diesem speziellen Bereich hat sich gezeigt, dass die Kombination aus Mensch und KI zu besseren Ergebnissen führt als eine rein menschliche oder rein KI-basierte Befundung.

 Ein weiteres Beispiel ist die automatisierte Analyse von Thoraxbildern. Hier haben Studien gezeigt, dass KI-Modelle in einigen Fällen bereits eine „superhuman“ Performance erreichen, also genauer und schneller arbeiten als selbst erfahrene Radiologen.

Synergie von Mensch und Maschine

Eine wesentliche Erkenntnis bei der Einführung von KI in der Radiologie ist, dass die beste Performance durch die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine erreicht wird. Während KI-Systeme bei bestimmten Aufgaben eine beeindruckende Genauigkeit erzielen, sind sie nicht frei von Fehlern und können in einigen Situationen von einem erfahrenen Radiologen korrigiert werden. In anderen Fällen sind Radiologen jedoch anfällig für die Ablehnung von KI-generierten Ergebnissen, selbst wenn diese korrekt sind. Die Herausforderung besteht darin, die richtige Balance zwischen menschlicher Expertise und KI-Unterstützung zu finden.
 

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Ausbildung der Radiologen im Umgang mit KI. Da KI-Systeme immer komplexer und leistungsfähiger werden, müssen Radiologen ein grundlegendes Verständnis für diese Technologien entwickeln. In den Niederlanden wurde unter anderem die Ausbildungsordnung angepasst, um sicherzustellen, dass ein Teil der Radiologen umfassende technische Kenntnisse besitzt und in der Lage ist, KI-Systeme zu optimieren und zu interpretieren.

Der Einsatz von KI in der Radiologie befindet sich noch in der Entwicklungsphase, jedoch zeigen die Fortschritte, dass es ein „Long-Term-Project“ ist. In den kommenden Jahren wird sich KI zunehmend etablieren und neue Anwendungsgebiete erschließen. Dabei wird es jedoch wichtig sein, die Technologie sinnvoll und verantwortungsbewusst zu integrieren.

Spannende Herausforderung

Ein Zitat von Bill Gates verdeutlicht die aktuelle Situation: „Die meisten Menschen überschätzen, was man innerhalb eines Jahres machen kann, aber unterschätzen, was man innerhalb von zehn Jahren machen kann.“ Diese Aussage trifft auch auf die Entwicklung von KI in der Radiologie zu. Kurzfristig wurden überzogene Erwartungen enttäuscht, aber langfristig ist das Potenzial enorm.

Die Integration von KI in der Radiologie ist ein spannendes und herausforderndes Unterfangen. Sie bietet die Chance, Effizienz und Qualität in der Radiologie zu steigern und den Fachbereich für die Zukunft zu stärken. Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch in der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, der Bereitschaft zur Weiterbildung und der Schaffung von finanziellen Rahmenbedingungen, die den Einsatz von KI nachhaltig ermöglichen.

Radiologen und medizinische Einrichtungen sollten sich darauf konzentrieren, sinnvolle Anwendungsfälle zu identifizieren, in denen KI einen echten Mehrwert bietet. Dabei ist es wichtig, das Wohl des Patienten, die Zufriedenheit der Radiologen und die Wirtschaftlichkeit im Auge zu behalten. Nur so kann die Radiologie ihr volles Potenzial entfalten und den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden.

In diesem Sinne bleibt abzuwarten, wie sich KI in den kommenden Jahren weiterentwickeln und den radiologischen Alltag verändern wird. Eines ist jedoch sicher: KI wird ein unverzichtbarer Bestandteil der Radiologie der Zukunft sein.

Bei der Bildrekonstruktion funktioniert KI bereits wunderbar. Deep Learning Rekonstruktionsverfahren im CT führen trotz dünnerer Schichten und weniger Quanten zu besserer Bildqualität.

Ein Artikel von Guido Gebhardt / R3 Imaging in Konstanz